„Der See war früher auch mal blauer!“ – Mit dem Älterwerden wandeln sich unsere Sinneswahrnehmungen, wovon auch das Sehen nicht verschont bleibt. Ebenso können sich mit zunehmendem Alter Körper und Geist verändern. Um genau diese Wandlungen zu berücksichtigen, ist eine alterssensible Architektur relevant. Frau Dr. Birgit Dietz hat in unserem Webinar erläutert, was damit gemeint ist und wie man sie einsetzen kann.
Dr. Birgit Dietz ist Architektin und Leiterin des Bayerischen Instituts für alters- und demenzsensible Architektur in Bamberg. In den beiden letzten Webinaren des Jahres 2020 gab sie uns einen Einblick in ihr Fachgebiet. Dabei befasste sich ihr erster Beitrag unter dem Titel „Planen für alle Sinne“ mit alterssensibler Architektur. Der zweite Beitrag legte den Fokus auf demenzsensible Architektur als unterstützende Gestaltung des Lebens- und Wohnumfeldes von Menschen mit Demenz.
Weitere Informationen und die Kontaktdaten von Dr. Birgit Dietz finden Sie auf der Webseite des Bayerischen Instituts für alters- und demenzsensible Architektur in Bamberg.
Fragen der Teilnehmer*innen und Antworten von Dr. Birgit Dietz:
Solche Situationen sind natürlich nicht einfach. Wenn ein älterer Mensch gegen „etwas umstellen“, „etwas wegnehmen“ oder „etwas Neues anschaffen“ ist, dann könnte zunächst folgende Vorgehensweise helfen: Versuchen, schrittweise ganz vorsichtig Gefahrenquellen zu entfernen (z.B. Teppich als Stolperfalle) oder mit anderen Dingen zu kompensieren, die auch einen Wohlfühleffekt hervorrufen. Hierzu wäre es erforderlich, sich detailliert mit den einzelnen Bereichen zu beschäftigen. An dieser Stelle möchte ich auf mein Buch verweisen. Dort sind auch weitere Hinweise aufgeführt. Der Titel lautet: „Demenzsensible Architektur: Planen und Gestalten für alle Sinne.“
Die Bedeutung der Farbe Gelb für die Wahrnehmung von Menschen mit Demenz hängt von der Art der Farbe ab, also vom Farbton. Wird zum Beispiel der Farbton „Zitronengelb“ betrachtet, verliert in diesem Falle die Farbe Gelb eher an Wichtigkeit. Das rührt daher, dass Zitronengelb eher im grünen Bereich angesiedelt ist, wenn wir das Spektrum des Lichts betrachten. Diese Farbe ist Teil einer Farbpalette, die von den meisten älteren Menschen eher nicht als „heimelig“ und „wohnlich“ empfunden wird. Ein warmes Gelb jedoch, also eher ein Dottergelb mit Rot- und Braunanteilen, wird von den meisten Menschen als durchaus angenehm erlebt und oft in Kombination mit anderen warmen Farben noch gut erkannt. Als Blickfang, zum Beispiel um Lichtschalter zu erkennen, ist Gelb allerdings weniger geeignet. Es sollte hierbei genauer auf die Kontraste geachtet werden.
Der Leuchtdichtekontrast ist ein Helligkeitskontrast und beschreibt das Verhältnis der Leuchtdichten von zwei benachbarten Flächen. Die Leuchtdichte beschreibt den Helligkeitseindruck einer Fläche, der durch das reflektierte Licht entsteht. Wichtig zu beachten ist, dass Farbkontraste die Leuchtdichtekontraste, also die Helligkeitskontraste, nicht ersetzen können. Denn zum Beispiel kann bei den Komplementärfarben Grün und Rot bei gleicher Leuchtdichte diese in der Helligkeit nicht unterscheidbar sein. Entscheidend für die Planung und Bestimmung von Kontrasten ist daher die gleichzeitige Beachtung von gestalterisch erwünschten Farbkontrasten und den notwendigen Leuchtdichtekontrasten zur guten Erkennbarkeit der Umgebung. Der Kontrast sollte so gewählt werden, dass sich zum Beispiel die Fläche des Lichtschalters deutlich von der Wandfläche abhebt. Je nachdem, was Sie mit einer Farbe erreichen möchten, gibt es natürlich auch Unterschiede: Geht es darum, welche Stimmung durch die Farbe beim Menschen erwirkt werden soll? Oder geht es darum, zu erreichen, dass Menschen den Raum an sich oder auch eine Markierung an einer bestimmten Stelle erkennen können?
Es gibt eine große Anzahl an Empfehlungen. Bei der Gestaltung des privaten Wohnraums in Wohnungen sowie auch der Gestaltung von öffentlichem Raum geht es immer auch um die Bausteine, welche in meinem Vortrag behandelt wurden: Akustik, Licht, Farbe und Blickverbindungen zu „Leuchttürmen“ und „Ankerpunkten“. Diese Themen müssen bei der Planung berücksichtigt werden. Diese erste Einführung war gedacht, um den Perspektivwechsel zu üben: Mit welcher Beeinträchtigung kommt ein älterer Mensch in den Raum? Mit welchen Einschränkungen, die alle Sinne, den Körper und den Geist betreffen können, muss er sich zurechtfinden. Ich fühle mich als Architektin zuständig, die richtigen Hilfestellungen anzubieten. Wobei dies natürlich für jeden einzelnen Menschen unterschiedlich ist, da jeder aus einer anderen Lebens- und Erfahrungswelt kommt. An dieser Stelle möchte ich auf das nächste Webinar verweisen, in welchem ich auf dieses Thema genauer eingehen werde: Demenzsensible Architektur – Unterstützende Gestaltung
Das ist eine spannende Frage. Mit diesem Thema habe ich mich bislang noch nicht beschäftigt. Was mir jedoch immer wieder auffällt ist, dass Frauen im Durchschnitt ja älter werden als Männer. Frauen sind grundsätzlich im Alter meist auch noch aktiver und eher an Kommunikation sowie Geselligkeit interessiert. Sie sitzen z.B. gerne auf der Parkbank und tauschen sich aus. Dann fällt es natürlich noch mehr auf, wenn die Sinne nicht mehr ganz so gut funktionieren. Im Alter lassen die Sinne tatsächlich einfach nach und das Älterwerden gibt es nur mit gewissen Beeinträchtigungen des Körpers, des Geistes und auch der Sinne. Da ich mich noch nicht eingehend mit den Geschlechterunterschieden in den Veränderungen der Sinneswahrnehmungen beschäftigt habe, kann ich in Bezug auf diese Frage nur schlussfolgern, dass es einfach mehr Frauen betrifft, weil sie eben durchschnittlich älter werden.
Mittwoch, 25.11.2020, 11.00-11.45 Uhr
Anna Kirchner
Wissenschaftliche Mitarbeiterin M. Sc.Moderation
Marina Selau
Wissenschaftliche Mitarbeiterin M. Sc.Betreuung Chatroom & Fragen
Hier finden Sie den Link zum zweiten Teil: Demenzsensible Architektur – Unterstützende Gestaltung
Mit der Webinar-Reihe „Science Watch LIVE“ bieten wir einen zusätzlichen Service zu unserem monatlichen Newsletter digiDEM Bayern Science Watch, in dem wir wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Demenzforschung bereitstellen.
Vor dem Hintergrund massenhaft verbreiteter Halbwahrheiten und Fake News, aktuell zum Beispiel über das neue Corona-Virus, ist gerade jetzt evidenzbasierte Wissenschaft gefragt. Es ist wichtiger denn je, wissenschaftliche Erkenntnisse so zu vermitteln, dass sie für die Gesellschaft verständlich sind und ein Austausch darüber gefördert wird. Dazu möchten wir als digiDEM Bayern-Projektteam beitragen, jetzt auch mit digiDEM Bayern Science Wach LIVE.